Zum … zigsten Mal jagte uns der Stabsfeldwebel über einen steilen Abhang des in Rekrutenkreisen der Pionierkaserne gefürchteten Rehberges hinauf. Auf, marsch, marsch, volle Deckung usw., wir wollen nicht mehr im Dreck liegen. Ein regnerischer und kalter Tag, die Finger sind steif, schmutzig und erfroren. Ich komme beim nächsten „volle Deckung“ in eine mit Gras bedeckte ziemlich tiefe Furche zu liegen. Wirklich liege ich nach dem nächsten Sprung in einer ganz schönen, verhältnismäßig trockenen Grube. Die anderen Rekruten hetzen weiter. Ich lege mich auf meinen Tornister auf den Rücken und wickle mich so gut es geht in den mir viel zu großen Mantel aus schlechtem Ersatzstoff.

Am Himmel jagen von fern her graue, schwere Regenwolken. Von irgendwo höre ich, dass Fliegeralarm gegeben wird. Eine Zeit danach höre ich ein immer stärker werdendes Gebrumme. Wenn die Wolken aufreißen, sehe ich das Glitzern von silbrigen Flugzeugkörpern. Es sieht aus wie ein Zug von schlanken, geschmeidigen Fischchen. Wer wird heute wieder zerrissen werden von den schrecklichen Bomben?
Da kracht es plötzlich in meiner nächsten Nähe und schon fliegen Erd- und Grasbüschel über und auf mich. Vorsichtig schaue ich über den Grabenrand und sehe, dass die Kompanie mit der Panzerfaust übt. Sie haben etwa 20 Meter von mir entfernt mit starken Baumstämmen eine Panzerplatte senkrecht aufgestellt und erproben jetzt die Durchschlagskraft des Geschoßes.
Eben richtet ein Unteroffizier eine neue Panzerfaust zum Abschuss ein, da beeile ich mich und laufe im Graben weiter bis zum Waldrand. Durch die Bäume und Unterholz schleiche ich mich halbwegs geräuschlos in die Richtung zur Kompanie. Hoffentlich hat der Satan von Stabsfeldwebel nicht abzählen lassen und mein Fehlen bemerkt. Ich schau vorsichtig aus dem Dickicht: Die Komp. steht in einem weiten Halbkreis um die Ausbildner, die über den Gebrauch und Anwendung der Panzerfaust sprechen. Mit ein paar raschen Schritten bin ich am linken Flügel der Komp. Mein Verschwinden ist unbemerkt geblieben.
Dann werden verschiedene Gruppen gebildet. Wir müssen verschiedene Panzerlöcher ausheben. Das geht recht langsam, dieErde ist schwer von dem ewigen Regen. Da bebt der Boden ganz leicht und in der Ferne hört man ein dumpfes Gedröhn. Was werden die armen Menschen in Wien wieder durchmachen! Denn Deutschland besitzt die Luftherrschaft über Europa. Unzählige Bauwerke und unersetzliche Werte jeder Art werden durch Kriegshandlungen zerstört.
Es geht gegen zwölf Uhr mittags. Die Sonne hat den Kampf mit den Wolken aufgegeben. Müde nehmen wir unsere Geräte auf und marschieren in die Kaserne zurück. Trab, trab, müde Füße in schweren kotigen Stiefeln stapfen über schmutzige Wege, über holpriges Pflaster, durch eine fremde hässliche Straße.
Ich bin der Letzte. Denn ich trage die Zieltafel. Bei jedem Schritt klopft mir ein Balken auf die linke Schulter. Ich merke es kaum. Denn meine Gedanken weilen in der
Freiheit.